Changes No49_Ansicht_Gesamt_ES

W enn die japanischen Kirschen nach dem langen Winterschlaf das Erwachen der Natur kundgeben, tun sie das mit einem Paukenschlag. Vom Wetter abhängig wandert die Sakura vom südlichsten Zipfel bis zum nördlichsten Cap und beschert der jeweiligen Region für etwa zehn Tage einen regelrechten Blütenzauber. Seit rund 1.300 Jahren feiern die Insulaner in dieser Zeit das Hanami, das sich am besten als Picknick im Schatten der Bäume beschreiben lässt. Natürlich dürfen dabei der Reiswein Sake und Bier nicht fehlen, wodurch die Treffen in unterschiedlicher Größe an ein zerstreutes Volksfest erinnern. Bittersüßer Blütenreigen Obwohl die Blüte des ikonischen Baumes einen Anlass zum ausgelassenen Feiern bietet, reicht die Bedeutung noch deutlich weiter. Denn die Zierkirsche hat über Jahrhunderte hinweg ihre Wurzeln tief in die japanische Kultur geschlagen. Besonders die Zurschaustellung von atemberaubender natürlicher Schönheit, die in einem fulminanten Finale ohne Früchte verblüht, diente über die Jahrhunderte als Vorbild für unzählige Werke und selbst manche Weltanschauungen. So bemühten sich Maler, Schauspieler, Schriftsteller und Komponisten, diesen bittersüßen Blütenreigen bestmöglich zu verewigen, stets mit dem Ziel, den perfekten Moment einzufangen oder die Tragik dieses kurzen Zeitfensters der Perfektion hervorzuheben. Selbst die stoischen Samurai sahen in dem abrupten Ende am Höhepunkt der Schönheit eine Metapher für einen würdigen Tod auf dem Schlachtfeld. Tatsächlich lässt sich die Sakura in praktisch jedem Ort Japans genießen, denn mehr als jeder zweite öffentlich gepflanzte Baum ist eine Zierkirsche. An einigen Hotspots fällt das Spektakel allerdings noch beeindruckender aus. Kyotos zweiter Frühling Unsere Rundreise durch das Land der Samurai beginnt in Kyoto. Lange Zeit hielt der Kaiser von Japan hier Hof, bevor er 1868 in die heutige Hauptstadt umzog. Allerdings befand sich das alte Zentrum des Inselstaats schon länger auf dem absteigenden Ast. Bereits 1603 verlagerte das Shogunat, die faktische Militärregierung des Landes, seinen Sitz nach Edo, das sie daraufhin in Tokyo umbenannten. Trotzdem gilt Kyoto heute als das kulturelle Zentrum Japans. Einerseits lässt sich das auf die lange Präsenz des Kaisers zurückführen, andererseits blieb die Stadt weitgehend vom Zweiten Weltkrieg verschont. Entsprechend erzählen kunstvolle Pagoden sowie rund 1.600 Buddhaschreine und 400 Shintotempel, in denen Priester die als Kami bekannten Geister verehren, authentisch die Geschichte des Landes. Entlang der Wege zeigt die Sakura ihre einzigartige Schönheit. So lässt sich an der Yawaragi-Straße unter einem rosa-weißen Blütenhimmel flanieren oder das Spektakel vom Boot aus bestaunen. Wer die Pracht lieber vor historischer Kulisse erleben möchte, dem empfiehlt sich der Daigoji-Tempel mit seinem bezaubernden Ziergarten. Hier – 45 – Jedes Jahr zwischen Ende März und April tauchen die Blütenblätter der Zierkirschen Japan in ein Meer aus Weiß und Rosa. Das als Sakura bekannte Naturschauspiel markiert den Frühlingsanfang und lockt Touristen in Scharen in das Land. DOCH AUCH ABSEITS DIESES PHÄNOMENS BIETET DER INSELSTAAT VIEL SEHENSWERTES. DENN AN WENIGEN ORTEN DER WELT ZEIGT SICH EINE SO INTENSIVE VERSCHMELZUNG VON TRADITION UND GEGENWART.

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